Die "Zeit im Bild" berichtete am 1. Mai 2017 im ORF-Interview mit DI Erich Kern über die Gefahr der Überreglementierung. Den Beitrag finden Sie im Anhang.
Erfolg des ZT-Normenausschusses im Wortlaut. Per Klick vergrößern.
Ein klassisches Beispiel für die Unmöglichkeit, "richtig zu bauen", ist die Wohnraumlüftung.
In enger Zusammenarbeit Magistrat Wien - Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland gelöst: das Problem der gewendelten Haupttreppen in bestehenden Gebäuden. Die Publikation "Bewertung von Bestandsgebäuden" steht für Ziviltechniker(innen) auf der Wissensplattform im WNB Mitgliederbereich kostenfrei und vollinhaltlich zum Download bereit.

Mit 01.01.2021 bieten wir ZiviltechnikerInnen in Wien, Niederösterreich und Burgenland mit dem neuen "Normenpaket 4.0" noch mehr Normen, Services und Vorteile. Hier geht´s zum Artikel von A3Bau vom 1.3.2021 mit Austrian-Standards-Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha und Kammerpräsident Erich Kern. Was bietet das neue Paket?

1. Rechtssicherheit
ZiviltechnikerInnen, die "technischen Notare" machen vor, wie´s geht. Als erste Berufsgruppe österreichweit können unsere Mitglieder ihren MitarbeiterInnen ab sofort alle unternehmensrelevanten ÖNORMEN und OVE Standards zugänglich machen. Dokumente dürfen rechtssicher intern vervielfältigt und weitergegeben werden. Mit der neuen Vereinbarung können Sie und Ihre MitarbeiterInnen Normen und Standards unternehmensintern wie folgt nutzen:

  • Speicherung auf Netzlaufwerken/Servern Ihres Unternehmens
  • Versand per E-Mail an MitarbeiterInnen
  • Weitergabe auf Datenträgern (USB-Sticks, CD usw.) an MitarbeiterInnen
  • Zugänglichmachung über ein Normen-Managementsystem (z.B. effects 2.0)
  • Zugänglichmachung über Dokumenten-Managementsysteme (z.B. EDM oder DMS wie Microsoft SharePoint, Xerox DocuShare, IBM Filenet, u.a.)
  • Veröffentlichung von Normdokumenten im (ausschließlich unternehmensinternen) Intranet
  • Unternehmensinterne Vervielfältigung von Normdokumenten: mehrfaches Drucken oder Kopieren, Digitalisierung (scannen, fotografieren, usw.) für unternehmensinterne Zwecke
  • Unternehmensinterne Bearbeitung von Normdokumenten: teilweise oder vollständige Verwendung von Normen (Text, Tabellen, Grafiken, Bildern, usw.) in unternehmensinternen Dokumenten, die über den Umfang eines Zitats hinausgehen sowie teilweise oder vollständige Übersetzung in andere Sprachen für unternehmensinterne Zwecke

Für die außerbetriebliche Nutzung sind zusätzliche Vereinbarungen erforderlich. Der singuläre meinNormenPaket Zugang je aktivem Mitglied bleibt bestehen.

2. Mehr Normen im Paket
Bei bestehenden "meinNormenPaket"-Zugängen wurde jedes Paket mit 01.01.2021 um 150 Zähler erhöht. Alle registrierten Mitglieder der Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland verfügen somit über eine Paketgröße von 350 Zählern. Dies ermöglicht:

  • Großzügige Normenrecherche (auch auf zurückgezogene Standards)
  • Vermehrten mehrsprachigen Bezug (ÖNORM EN- bzw. ÖNORM ISO-Norm in deutscher und englischer Sprachfassung)
  • Flexibilität in der Normennutzung für die nächsten 10 Jahre

Die Entstehungsgeschichte des Erfolgsmodells "meinNormenPaket" können Sie im aktuellen Plan #51 auf Seite 9 hier nachlesen. Die Antworten auf Fragen unserer Mitglieder zum jetzt erreichten Meilenstein, zu den erweiterten und auf die Anforderungen der Digitalisierung gepimpten Services, finden Sie im Protokoll der öffentlichen Kammervorstandssitzung vom 22. Dezember 2020, die "als Ersatz" für die coronabedingt verschobene Kammervollversammlung online gestreamt wurde und zu der alle Mitgleider eingeladen wurden, hier im Mitgliederbereich auf Link Arch+Ing.

Generelles aus der Welt der Vorschriften und Normen

Sinn und/oder Unsinnigkeit von Normen? Unabhängige Kontrolle durch ZT zahlt sich aus, besonders wenn Steuergeld fließt! "Der behutsame Umgang mit beschränkten Ressourcen ist nicht nur unter dem Aspekt des Umweltschutzes ein Gebot der Stunde, sondern auch im Hinblick auf den Umgang mit Steuergeld", appelliert DI Erich Kern, Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen und Vorsitzender des Ressorts Regelwerke. HIER finden Sie mehr zum ehrenamtlichen Engagement der Kammerfunktionäre um vernünftige Lösungen zu erreichen, etwa bei ÖNORM B 1600, Lüftung und gewendelten Bestandstreppen - aber auch die Erkenntnis, dass noch sehr viel (Überzeugungs-)Arbeit zu leisten ist.

Über das Problem der Türschließer in der ÖNORM B 1600 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen" haben wir bereits mehrmals berichtet. Nun ist endlich die entsprechende Normänderung vollzogen. Im Normalfall müsste man diesen Erfolg feiern. Die Schwierigkeiten auf dem Weg dorthin und die Uneinsichtigkeit mancher Beteiligten, dass es ohne - wenn auch geringes - Risiko nicht geht, lässt allerdings die Freude schnell verblassen.

Heftige Kritik am Entwurf der ÖNORM V 2102

Die im Entwurf vorliegende ÖNORM V 2102 "Taktile Bodeninformationen" schießt mit einigen Anforderungen über das Niveau der ÖNORM B 1600 und sogar über die Grenze technischer Normen selbst hinaus. Nicht nur die strikte Einhaltung einer ÖNORM wird hier vorgeschrieben, sondern auch die Berichtspflicht an Vereine, sollte man dieser Norm nicht nachkommen. Dies wurde bereits heftig kritisiert und beeinsprucht, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die ÖNORM in dieser Form kommt.

Ist Lüften noch möglich? Anfrage an das OIB

Ein klassisches Beispiel für die Unmöglichkeit, "richtig zu bauen", ist die Wohnraumlüftung. Diese wird in der OIB-Richtlinie 3 wie folgt geregelt: Aufenthaltsräume müssen durch unmittelbar ins Freie führende Fenster ausreichend gelüftet werden können. Wenn das nicht möglich ist, muss eine mechanische Lüftungsanlage errichtet werden. In den Erläuterungen zur OIB-Richtlinie 3 wird als Beispiel für eine nicht mögliche natürliche Lüftung ein Außenlärmpegel von > 45 dB in der Nacht angegeben. Damit könnte in Wien fast nirgendwo eine Wohnung natürlich über Fenster belüftet werden (der ORF berichtete in der "ZiB"). Als ersten Schritt aus diesem Dilemma hatten wir an das OIB folgende Anfrage zu Punkt 10.1.2 der Richtlinie 3 gestellt: "Ist der in den erläuternden Bemerkungen der OIB-Richtlinie 3 angeführte Grenzwert für den maßgeblichen Außenlärmpegel von 45 dB, ab dem eine natürliche Lüftung nicht mehr möglich ist, auch für kurzfristige Lüftungsvorgänge gedacht?" Die Antwort kam dann doch prompt: "Nein, kurzzeitige Lüftungsvorgänge (Stoßlüftungen) sind davon nicht betroffen" (www.oib.or.at/de/oib-richtlinien/faqs). Damit ist das Problem noch nicht ganz gelöst, doch haben wir im wahrsten Sinne des Wortes ein wenig Luft bekommen. An einer umfassenderen Lösung, die sicher auch auf die einschlägigen Normen eingehen muss, wird aktuell gearbeitet.

In enger Zusammenarbeit mit dem Magistrat Wien gelöst: das Problem der gewendelten Haupttreppen in bestehenden Gebäuden.

Peter Bauer, Gerald Fuchs, Erich Kern, Guido Markouschek, Ernst Schlossnickel und Maria Unterköfler befassten sich mit der Bewertung von rechtmäßig bestehenden und in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand erhaltenen Wohngebäuden hinsichtlich Erschließung, Entfluchtung, Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit von Treppen mit gekrümmten Lauflinien (Gründerzeithäuser).

Die Bauordnung stellt an Treppen insbesondere zwei Grundanforderungen: Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit. Diese Grundanforderungen werden dann eingehalten, wenn Treppen den Bestimmungen der OIB-Richtlinie 4 entsprechen. Die Anforderungen der barrierefreien Gestaltung gelten nicht nur für Neubauten, sondern sind auch für Zu- und Umbauten zu erfüllen. Gemäß OIB-Richtlinie 4, Punkt 3.2.2 müssen in Gebäuden oder Gebäudeteilen, die barrierefrei zu gestalten sind, Haupttreppen, ausgenommen Wohnungstreppen, geradläufig sein. Dies ist bei bestehenden Gebäuden, vor allem bei jenen aus der Gründerzeit, häufig nicht der Fall, was bedeutet, dass für die Erschließung eines Zu- oder Umbaus bestehende nicht geradläufige Treppen abzubrechen und durch geradläufige zu ersetzen wären!

Der damit verbundene technische und/oder wirtschaftliche Aufwand wäre in vielen Fällen unverhältnismäßig. Gemäß Wiener Bautechnikverordnung kann von den OIB-Richtlinien abgewichen werden, wenn der Bauwerber nachweist, dass das gleiche Schutzniveau wie bei Anwendung der Richtlinien erreicht wird. Ebenso können gegebenenfalls Erleichterungen nach § 68 BO gewährt werden, wenn die Einhaltung der Bestimmungen der OIB-Richtlinie 4 nachweislich einen unverhältnismäßigen Aufwand in technischer und/oder wirtschaftlicher Hinsicht erfordern würde. Im Nachweis sind die Gründe, die für die Belassung der bestehenden Treppe sprechen, mit den Gründen, die für die Einhaltung der Bestimmungen der OIB-Richtlinie 4 sprechen, abzuwägen und die Zulässigkeit der Maßnahme dadurch schlüssig zu argumentieren.

Die Publikation "Bewertung von Bestandsgebäuden" ist für Ziviltechniker(innen) auf der Wissensplattform im WNB-Mitgliederbereich kostenfrei abzurufen und zeigt einen möglichen Weg zur Nachweisführung im Sinne des § 68 BO auf bzw. legt ein Konzept vor, das Schutzniveau der aktuellen OIB-Richtlinie 4 in Bezug auf Haupttreppen zu ermitteln und mit dem gegebenen Schutzniveau bestehender gewendelter Haupttreppen (mit oder ohne Verbesserungsmaßnahmen) zu vergleichen. Es wird u. a. nachgewiesen, dass die mit der Errichtung eines Aufzugs einhergehende Verbesserung der Barrierefreiheit die diesbezüglichen Nachteile einer gewendelten Haupttreppe zumindest kompensiert. Die Kammer wird sich bemühen, das in diesem Aufsatz aufgezeigte Konzept des Umgangs mit Bestandsgebäuden in allen OIB-Richtlinien zu verankern. Damit wäre einerseits dem Schutzbedürfnis der Nutzer Rechnung getragen, andererseits ein schonender und damit volkswirtschaftlich sinnvoller und nachhaltiger Umgang mit Bestandsgebäuden gewährleistet.

Link zum ORF-Beitrag in der ZIB, 01.05.2017

Normenpolitik unserer Kammer, 2016

Das Thema Normung wird nun endlich in Politik und Medien intensiv diskutiert, die Länderkammer W/NÖ/B ist daran aktiv beteiligt.

Unsere Ziviltechniker(innen), besonders der Normenausschuss der bAIK unter Vorsitz von Erich Kern, haben hier wichtige Beiträge geleistet. So wurde der im Auftrag des Ausschusses ausgearbeitete Normengesetzentwurf in weiten Bereichen zur Blaupause des Ministeriumsentwurfs.

Der Entwurf des Ministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort berücksichtigt, dass Transparenz, Effizienz und strategische Lenkung in der Normung notwendig sind. Vorgesehen ist auch die Abschaffung der Jahresbeiträge in Höhe von 450 Euro für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Normung. Damit könnte ein neues, zeitgemäßes Normengesetz entstehen.

Das ASI leistet dagegen erbitterten Widerstand. Da nicht nur in Österreich, sondern europaweit Reformbedarf auf dem Gebiet des Normenwesens besteht, fühlen sich nicht nur das ASI, sondern auch andere Normenorganisationen (die mit dem ASI personell verflochten sind) wie das deutsche DIN oder die internationale Normungsorganisation ISO auf den Schlips getreten. Offensichtlich haben unsere Ziviltechniker(innen) da einen wunden Punkt getroffen.

Präsident Peter Bauer hat im Sommer einen offenen Brief an die Geschäftsführerin des ASI, DDr. Stampfl-Blaha, geschrieben (auf den diese später ebenfalls mit einem offenen Brief antwortete), in dem er dringenden Reformbedarf reklamiert. Als Beispiel führt er u. a. die überhastete Einführung halbfertiger Eurocodes an, die keine Regelungen für Bestandsgebäude enthalten, was zu einer unglaublichen Rechtsunsicherheit führe und schwere wirtschaftliche Folgen für die Baubranche habe. Auch bei der Erstellung von Normen, die die öffentliche Sicherheit betreffen, mahnt er zu einem überlegten Vorgehen. Um solche Normen weiterzuentwickeln, sei in der Regel ein unabhängiges Expertenwissen notwendig, also die Expertise der Ziviltechniker(innen). Bisher arbeiteten sie gratis an der Weiterentwicklung von Normen und an europäisch vorbildhaften Ergänzungsregeln, nach den neuen Geschäftsplänen des ASI dürfen sie diesem auch noch jährlich 450 Euro für ihren Arbeitseinsatz bezahlen. Es brauche zudem, so Peter Bauer im Brief, ein Gremium (wie es im Normentwurf vorgesehen ist), das über eine nationale Normenstrategie zur Durchsetzung der österreichischen Interessen im europäischen Normenwesen nachdenke.

Der Normenausschuss sieht diese Diskussionen und Entwicklungen als Erfolg seiner Initiativen. Erich Kern dazu: "Dennoch müssen wir realistisch bleiben. Auch ein neues Gesetz wird nicht alle Probleme lösen, schon gar nicht kurzfristig. Auch wenn ein neues Normengesetz die 'Spielregeln' der Normierung verändert, bleibt damit der bestehende Stand an Normen zunächst unverändert und Verbesserungen werden sich erst schrittweise im Rahmen neuer Normierungsprojekte bemerkbar machen."

Besonders wichtig ist es dem Ausschuss typo3/#_msocom_1auch, bewusst zu machen, dass Normen nur bedingt den Stand der Technik darstellen und keinesfalls den Sachverstand ersetzen können. Auch das sollte im neuen Normengesetz klargestellt werden. Red

 


Weiterführende Informationen zur Normenpolitik und der Arbeit des Normenausschusses der Bundeskammer finden Sie unter diesem Link.

Informationen zum Normenpaket finden Sie unter diesem Link.

Offener Brief von Peter Bauer an Elisabeth Stampfl-Blaha am 24.07.2015

Sehr geehrte Frau DDr. Stampfl-Blaha,

Zuerst möchte ich mich bei Ihnen bedanken. Für Ihre Leidenschaft für das österreichische Normungswesen. An Ihren Mails - mittlerweile im drei Tage Rhythmus - erkenne ich, dass Sie mit dem Herzen bei der Sache sind. Das respektiere ich sehr. Wir brauchen engagierte Leute, die das kümmert was Sie tun.

Allerdings macht Zorn und Wut auch blind. Und ohne im Detail auf Ihre veröffentlichte Rede auf der Vollversammlung des ASI 2015 eingehen zu wollen, bedarf es aus meiner Sicht doch einiger Klarstellungen. Dies umso mehr, als auch die von Ihnen versendete vorläufige Stellungnahme zum Entwurf des Normengesetzes zwar langatmig erklärt, was dieser nicht für ein Unglück bringen würde, aber keinen einzigen konstruktiven (Gegen)Vorschlag enthält.

"Beschleunigung ist angesagt!", ist Ihrer Rede zu entnehmen. Wohin, wenn man fragen darf? Vielleicht sollte man im Gegenteil - wenigstens kurz - innehalten und fokussieren? Sich zum Beispiel überlegen, welche Normen man in Umlauf bringt. Hier sei die überhastete Einführung der halbfertigen Eurocodes genannt, deren letzte Ausführungsnormen noch immer nicht fertig sind. Deren fehlende Regelungen für Bestandsgebäude eine unglaubliche Rechtsunsicherheit und schwere wirtschaftliche Folgen für die Baubranche bedeuteten. Bis ein paar beherzte Experten sich entschlossen - zum größten Teil in ihrer Freizeit -, europäisch vorbildhafte Ergänzungsregelungen zu verfassen. Regelungen für eine schweigende, lobbylose Mehrheit - die Bestandsbauten.

Auch auf anderen Normungsgebieten, die die öffentliche Sicherheit betreffen, ist weniger "Action" als vielmehr Überlegung angesagt. Hier wird Normung eben nicht dafür verwendet, ein Produkt schneller und/oder kompatibler in den Markt zu drücken, sondern es werden öffentliche Interessen verhandelt. Hier hat niemand der Experten direkt ein Produkt zu verkaufen. Im Gegenteil. Um solche Normen überhaupt zu verstehen und dann weiterzuentwickeln, ist in der Regel ein Expertenwissen notwendig, das auch ausreicht um ohne Normung "durchs Leben" zu kommen - und an den Fehlern der "Praktiker" Geld zu verdienen. Genau diese Leute verstehen überhaupt nicht, warum sie auch noch Geld (derzeit (!?) € 450.-/Jahr) für ihren Arbeitseinsatz zahlen sollen. Genau diese Leute brauchen wir aber in diesen Gremien.

Es ist eben - wie so oft - zu differenzieren. Zwischen Bedürfnissen der Industrie und Wirtschaft, die mittels Normung Schnittstellen und Qualitäten definiert, damit ihre Produkte gesichert aufeinander aufbauen können und den Normen, die direkt öffentliche Interessen regeln. Hier gibt es klare Herstellerinteressen am Produkt und es mag gerechtfertigt sein, dass die, die sich diese Normen erarbeiten, dafür sogar zahlen - dort muss man die besten Experten einbinden, die man am Markt finden kann. Genau das schlägt der Entwurf zum Normengesetz vor.

Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass Normung zum überwiegenden Teil gar nicht mehr national gestaltet wird. Ich begrüße das europäische Normenwerk ausdrücklich. Aber umso mehr braucht es eben ein Gremium, das über die nationale Normenstrategie nachdenkt - ein Vorschlag des vorliegenden Normenentwurfs. Auch europäische Normen entstehen nämlich nicht zufällig. Sondern sind Produkte strategischer Überlegungen. Warum soll Österreich hier sich nicht zum "Player" entwickeln? Das ASI hat solche Ansätze bisher jedenfalls nicht wahrgenommen. Oder hat sich irgendwer am ASI darum gekümmert, dass die österreichischen Arbeiten zu Bestandsgebäuden in die europäische Normung Eingang finden? Wir machen das offenbar lieber wie üblich. Erst einmal nichts tun und nach fünf Jahren bedauern, dass in Europa schon wieder eine Regel mehr existiert, die wir nicht haben wollen.

Ich möchte Sie daher bitten, sehr geehrte Frau DDr. Stampfl-Blaha, Ihre Kraft für eine gute Lösung einzusetzen. Eine Lösung die die Interessen aller Beteiligten angemessen wahrt, eine Lösung die Österreich eine strategische Position im internationalen Normungswesen sichert und die vor allem eine Lösung sein muss, die differenzieren kann.

Mit besten Grüßen

Peter Bauer

Ehemals für das ASI tätig als

Experte des FNA 013 Stahl-, Verbund und Aluminiumbau

Experte des FNA 207-04 Konstruktiver Wandbau

Experte des FNA 176-02 Erdbebenkräfte Expertenmitglied der Arbeitsgruppen:

Bestandsgebäude

Beton- und Stahlbau Ausführungsnormen

Heißbemessung im Stahl-, Beton-, und Verbundbau

Wien, am 24.07.2015

Offener Brief von Elisabeth Stampfl-Blaha an Peter Bauer am 17.08.2015

Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Bauer,

ich danke Ihnen für Ihren umfassenden Brief zur vorläufigen Stellungnahme von Austrian Standards Institute - er ermöglicht den konkreten Dialog über konkrete Themen. Ich beantworte Ihr Schreiben nun ebenfalls als offenen Brief, damit dieser in gleicher Weise publiziert werden kann, lade Sie darüber hinaus aber zu einem persönlichen Gespräch ein - natürlich gerne auch mit Ihren Kollegen.

Von "Leidenschaft" und "Herz" würde ich persönlich in diesem Zusammenhang zwar nicht sprechen, richtig ist aber, dass das gesamte Austrian-Standards-Team mit großem Engagement arbeitet. Anders wäre es nicht möglich gewesen, ein österreichisches Normungssystem von Qualität zu bieten, während der Förderanteil von rund 30 % in den frühen 1990er-Jahren auf unter 5 % (2014) gesunken ist.

Ja, es ist uns bewusst, dass die Informationsdichte ("mittlerweile im drei Tage Rhythmus") zeitweise an der Grenze des Zumutbaren ist. Deutlich über der Grenze des Zumutbaren sind aber viele Bestimmungen des Ministerialentwurfs für ein neues Normengesetz. Und es ist unsere Verantwortung, darauf hinzuweisen.

"Zorn und Wut" sind sowohl dem Präsidium als auch der Geschäftsführung von Austrian Standards im Berufsleben fremd. Gründliches Arbeiten kann man von uns aber verlangen, vor allem, wenn es um einen entscheidenden rechtlichen Rahmen des österreichischen Normungssystems geht. Daher kann unsere vorläufige Stellungnahme zum Entwurf des Normengesetzes wohl "langatmig" erscheinen, die abschließende detaillierte Stellungnahme vom 29. Juli möglicherweise noch "langatmiger". Kurz und klar ist aber dem - unserer Stellungnahme angeschlossenen - verfassungsrechtlichen Gutachten von em. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer zu entnehmen, in wie vielen Punkten der Entwurf klar verfassungswidrig ist. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts (siehe dessen Stellungnahme) sieht das - ebenso wie z. B. die Länder - nicht anders. Und die fast 100 Stellungnahmen an das Parlament sprechen ebenfalls weitgehend für sich.

Dass Austrian Standards "keinen einzigen konstruktiven (Gegen)Vorschlag" eingebracht hätte, ist nicht richtig. Vielmehr hat Austrian Standards bereits vor Erhalt des Ministerialentwurfs konkrete Vorschläge gemacht - allerdings ohne mediales Getöse. Dieser Vorschlag, der vom Mai 2015 stammt, ist auch unserer abschließenden Stellungnahme beigefügt.

Sie schreiben:

"Beschleunigung ist angesagt!", ist Ihrer Rede zu entnehmen. Wohin, wenn man fragen darf? Vielleicht sollte man im Gegenteil - wenigstens kurz - innehalten und fokussieren? Sich zum Beispiel überlegen, welche Normen man in Umlauf bringt. Hier sei die überhastete Einführung der halbfertigen Eurocodes genannt, deren letzte Ausführungsnormen noch immer nicht fertig sind. Deren fehlende Regelungen für Bestandsgebäude eine unglaubliche Rechtsunsicherheit und schwere wirtschaftliche Folgen für die Baubranche bedeuteten."

Es ist Ihnen bekannt, dass das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie darauf gedrungen hat, die Eurocodes rasch in Österreich einzuführen, um hier - dank früher Erfahrungen - wettbewerbsfit zu sein. Und das hat sich bis in Staaten mit großer Bautätigkeit herumgesprochen. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich nicht beurteilen. Aber dass wir durch ein "Nicht-in-Umlauf-Bringen" Europäischer Normen die Welt anhalten, ist nicht anzunehmen. Wenn ich von "Beschleunigung" rede, dann meine ich, dass Themen rasch erkannt werden müssen und entsprechend gehandelt werden muss. Die Eurocodes sind dafür ein gutes Beispiel: Die erste Generation der Eurocodes wurde ab Mitte der 1990er-Jahre (also bereits vor 20 Jahren) in 62 Teilen als Europäische Vornorm (ENV), in Österreich als ÖNORM ENV, veröffentlicht, um Erfahrungen mit den zum Teil grundlegend neuen Inhalten zu sammeln. Hat es hier an einem österreichischen Schulterschluss der Fachkreise gefehlt, um gemeinsam zeitgerecht dafür zu sorgen, dass diese Europäischen Normen praxisgerechter werden?

Ich unterstütze vollkommen Ihren Aufruf, innezuhalten und zu fokussieren! Denn wir brauchen in Österreich eine Allianz, die es ermöglicht, bei der europäischen und der - für die kommenden Jahre noch wichtigeren - internationalen Normenentwicklung weiterhin dabei zu sein. Dazu tragen aber nicht gesetzliche Verbote von Kostenbeiträgen, Ein- und Austrittsbefehle in nichtstaatliche europäische und internationale Organisationen oder Staatskommissäre für Normung bei, sondern dafür braucht es den von Ihnen zu Recht angemahnten Fokus auf jene Bereiche, wo Österreich heute dabei sein muss, damit es morgen erfolgreich ist. Und da reden wir auch von Geld. Per Normengesetz allein wird etwas nämlich nicht "kostenfrei". Die Kosten bleiben, und die muss schon einer tragen.

Noch etwas zu den Kosten: Die Wirtschaftskammer Österreich refundiert ihren Mitgliedern einen Teilnahmebeitrag pro Mitglied. Sehen Sie hier nicht Handlungsbedarf, wenn man die gesamte Planerbranche betrachtet?

Sie schreiben an anderer Stelle:

"Hier wird Normung eben nicht dafür verwendet, ein Produkt schneller und/oder kompatibler in den Markt zu drücken, sondern es werden öffentliche Interessen verhandelt." Ich weise Ihre polemische Ausdrucksweise zurück: Hätten Sie formuliert: "eine Planungsleistung schneller in den Markt zu drücken"?

Die Wirtschaftsleistung in Österreich beruht zu einem großen Teil auch darauf, dass Produkte verkauft werden, und viele Arbeitsplätze bestehen, weil es hier erfolgreiche Unternehmen gibt. Das hat, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Respekt - und nicht Polemik - verdient.

Weiter: "Bis ein paar beherzte Experten sich entschlossen - zum größten Teil in ihrer Freizeit -, europäisch vorbildhafte Ergänzungsregelungen zu verfassen. Regelungen für eine schweigende, lobbylose Mehrheit - die Bestandsbauten."

Hinter den Bestandsbauten stehen ja wohl auch Interessen und Menschen. Dass dank dieses Regelwerks nun offenbar die Sicherstellung sinnvoller Weiternutzung und Erweiterung bestehender Gebäude im Hinblick auf eine ressourcenschonende und nachhaltige Siedlungspolitik (Sanierung und Verdichtung) erreicht werden kann, verdient ohne Zweifel große Anerkennung. Hier - aber nicht nur hier, sondern und auch in den vielen anderen Bereichen - wurden ÖNORMEN und ONR von Menschen mit hohem Wissen, breiter Erfahrung und großer Einsatzbereitschaft als Lösungen für Probleme geschaffen (bei, aber nicht für Austrian Standards). Freilich muss man auch unterstreichen, dass es ja auch als Qualitätsnachweis gesehen wird, wenn jemand in einem Normungskomitee tätig ist: Das lässt sich auch daraus ersehen, dass etwa auf der Website des Teilnehmenden darauf hingewiesen wird - nicht wahr? Und es bietet den Zugang zum aktuellsten Wissen aus der Praxis, was auch für Lehrende wichtig ist - nicht wahr?

Sie weisen auch darauf hin, dass es Normen gibt, "die direkt öffentliche Interessen regeln" und "dort muss man die besten Experten einbinden, die man am Markt finden kann. Genau das schlägt der Entwurf zum Normengesetz vor." - Wo bitte schlägt er das vor? Etwa in der Bestimmung, dass dann eine ÖNORM über die "Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Hochbauten" (Ihr Themenbeispiel von oben) erst entstehen könnte, wenn jemand - wer? die "lobbylose Mehrheit - die Bestandsbauten", die "beherzten Experten" - die vollen Kosten der Normentwicklung vorher auf den Tisch legen?

Austrian Standards ist überhaupt nicht gegen "ein Gremium, das über die nationale Normenstrategie nachdenkt". Im Gegenteil! Sie sagen: "ein Vorschlag des vorliegenden Normenentwurfs". Wo bitte ist dieser Vorschlag? Sie meinen doch nicht etwa das aus fünf Beamten bestehende "Lenkungsgremium"? Dort, wo es nur um die "strategischen Prioritäten für die österreichische Normung" geht und Europa oder die Welt nicht vorkommen?

Wir schlagen vor, dass:

dieses Gremium Vertreter aller Bundesministerien (denn überall gibt es Themen mit Normbezug), der Länder und zumindest gesetzlicher Interessenvertretungen umfassen soll und

es dort auch schon um europäische Strategien gehen soll - denn sonst können wir nur mehr "nachvollziehen".

Wir schlagen das vor, weil, wie Sie natürlich vollkommen richtig betonen, auch Europäische Normen nicht zufällig entstehen, sondern "Produkte strategischer Überlegungen" sind.

Sie fragen weiters: "Warum soll Österreich hier sich nicht zum "Player" entwickeln?"

Natürlich ist das wichtig. Österreich ist schon heute ein guter Player (z. B. bei der Führung von Projektsekretariaten: Platz 7 in Europa, Platz 9 international) und wird sich weiter anstrengen müssen. Aber wer trägt was dazu bei? Und wie hilft der Normengesetz-Entwurf dabei? Durch weniger Geld?

Verblüfft bin ich von Ihrer Aussage: "Oder hat sich irgendwer am ASI darum gekümmert, dass die österreichischen Arbeiten zu Bestandsgebäuden in die europäische Normung Eingang finden? Wir machen das offenbar lieber wie üblich. Erst einmal nichts tun und nach fünf Jahren bedauern, dass in Europa schon wieder eine Regel mehr existiert, die wir nicht haben wollen."

Ob etwas, das österreichische Experten erarbeitet haben, für den Rest Europas (oder der Welt) auch eine gute Lösung sein könnte, können nur die österreichischen Experten beurteilen. Und wenn das so ist, dann müssen es die österreichischen Experten in den europäischen/internationalen Gremien vertreten. Wie und wo das gehen kann, wie man das in ein europäisches oder internationales Normungssystem klug einspeist etc., dazu beraten die Mitarbeiter des ASI und führen auch die notwendigen Schritte durch. Wenn man ein neues Thema auf europäischer oder internationaler Ebene einbringen will, braucht es natürlich personelle und finanzielle Ressourcen (Experten, z. B. als Chairperson, Zeit für Teilnahme, Reisekosten, Sekretariat). Das geht meistens nur mit einem Zusammenschluss aller Interessierten. Aber: Was trägt dazu der Entwurf zum Normengesetz bei?

Sie schreiben in Ihrem Begleitmail, dass Sie sich sehr wünschen würden, "dass das ASI sehr bald in einen konstruktiven Dialog eintritt." So ein Dialog hat am 19. Februar 2015 - über Einladung von ASI - zwischen dem Präsidenten Ihrer Bundeskammer (und weiteren Mitarbeitern) und dem Präsidenten von ASI (und weiteren Mitarbeitern) stattgefunden. Er ist von der bAIK nicht fortgesetzt worden, und für den Dialog braucht es bekanntlich zumindest zwei. Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie auch dort den "konstruktiven Dialog" einmahnen werden. Wir stehen auf jeden Fall - wie schon bisher - für jegliche konstruktive Auseinandersetzung bereit.

Sehr geehrter Herr Dipl.-Ing. Bauer,

es eint uns ohne Zweifel die von Ihnen formulierte Zielsetzung: "Eine Lösung, die die Interessen aller Beteiligten angemessen wahrt, eine Lösung, die Österreich eine strategische Position im internationalen Normungswesen sichert und die vor allem eine Lösung sein muss, die differenzieren kann."

Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn wir über diese Zielsetzung und Wege ihrer Umsetzung persönlich diskutieren könnten.

Mit besten Grüßen

DDr. Elisabeth Stampfl-Blaha

Direktorin Austrian Standards

Wien, am 17. August 2015